"Siehe nur, wie schön er ist"
Donatellos Streit mit Brunelleschi über das Christusbild

In der Geschichte konkretisiert sich das Ideal der Schönheit in unterschiedlichen Bildern. In biblischer Perspektive stellte zum Beispiel der junge David ein Bild von einem Mann dar: er ist, wie berichtet wird "des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön gestaltet, und der Herr ist mit ihm" (1. Samuel 16, 18). Bis in die Gegenwart ist dieser David - nicht zuletzt dank massiver Hilfestellung durch Michelangelo - ein männliches Idealbild geblieben.

Das Bild Christi ist dagegen - vor allem wegen der aus Jesaja 53 abgeleiteten Vermutung, er habe weder Schönheit noch Gestalt besessen - weniger prägend für das männliche Schönheitsideal geworden. Und doch ist Donatellos Streit mit Brunelleschi, wie Christus am Kreuz darzustellen sei, auch ein Streit um das wahre Bild menschlicher Schönheit.

Donatello
Brunelleschi

Donatello hatte für Santa Croce in Florenz ein Kruzifix geschaffen, auf dem Christus realistisch menschlich dargestellt war. Er zeigt das Werk voller Stolz seinem Freund Brunelleschi. Mir scheint, so antwortet dieser, "du habest einen Bauern ans Kreuz geheftet, und nicht die Gestalt eines Christus, der zart gebaut und der schönste Mann gewesen ist, der jemals geboren wurde."

Kurze Zeit später hat Brunelleschi dann für die Kirche Santa Maria Novella seine Version eines Kruzifixes ausgearbeitet, ein Werk, von dem Donatello geradezu überwältigt gewesen sein soll:

"Dir ist vergönnt, den Heiland darzustellen, mir aber den Bauern".(1)

Was aber ist das wahre Bild Christi? Das eines Bauern? Oder das des schönsten Mannes, der je geboren wurde?

Anmerkungen

  1. G. Vasari: Lebensgeschichten, Zürich 1980, S. 144f.