Jona in der Katakombenmalerei

Andreas Mertin


In einer Bibel für junge Leute findet man die folgenden zwei Katakombenbilder und zwar im Kontext des Buches Jona: Der vom Walfisch ausgespuckte Jonas heißt es zu dem einen Bild und Der ruhende Jonas zum anderen. Durch die Titelgebung wird den Schülerinnen und Schüler das Verständnis allerdings unnötig erschwert. Weder ist auf dem Bild ein Walfisch zu sehen, noch ist im biblischen Text von einem Walfisch die Rede. Diese Deutung gehört vielmehr zur Rezeptionsgeschichte des Stoffes.

Durch die Kontextualisierung im Buch wird die Identifizierung scheinbar einfach. Nimmt man den Bibeltext weg und konzentriert sich auf das Bild, wird die Erschließung schon schwieriger. Alle, die den biblischen Text nicht kennen (also zum Beispiel heutige Schülerinnen und Schüler), können die Szenen nicht so einfach identifizieren. Das wäre bei der nachstehend abgebildeten Szenenfolge aus der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts, die wir in der S. Callisto-Katakombe finden, leichter.

Die Jona-Erzählung gehört vor allem wegen ihrer neutestamentlichen Adaption (Mt 12, 38ff. und Lk 11, 29ff.) zu den beliebtesten Darstellungen der Katakombenkunst. Wie bei der gesamten Katakombenkunst üblich, werden nicht biblische Geschichten illustriert, sondern es wird mit einer Kurzform auf eine biblische Erzählung angespielt. Der Vergleich der verschiedenen Jona-Darstellungen zeigt, dass es sich um einen weitgehend standardisierten Typus handelt, eine immer wieder verwendete Chiffre.

Die Katakombenbilder sind Fresken, d.h. Wandmalereien auf frisch aufgetragenen, noch feuchten Putz, mit dem sich die Farben dann unlöslich verbinden. Obwohl Freskomalerei große Erfahrung voraussetzt, handelt es sich doch nur "um Handwerkerarbeit, Totengräberkunst! Die christlichen 'fossores' und Dekorateure arbeiteten vermutlich nach Bildvorlagen, die von einem zum anderen weitergegeben und mehr oder weniger schematisch nachgeahmt wurden" (Günter Lange).

Eine wichtige Frage, die zunächst trivial erscheint, aber keineswegs trivial ist, ist die danach, was eigentlich dargestellt wird und was die Bilder weglassen. Im vorliegenden Fall greifen die Bilder, darin sind sie für die Katakombenmalerei zum Thema Jona typisch, die Szene auf, in der Jona vom Fisch ausgespuckt wird und jene Szene, in der er unter der Laubhütte ruht (Jona 2,11 und 4, 5-8). Diese Auswahl macht deutlich, dass keine Illustration des Jona-Buches intendiert ist (weshalb auch die Platzierung im alttestamentlichen Teil der "Bibel für junge Leute" fragwürdig ist).

Vielmehr ist der Ausgangspunkt der Darstellung Matthäus 12,40: "Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein." (Anders übrigens die Deutung der Parallelstelle bei Lukas!) Die besondere Verkürzung auf Jona 2,11 und 4, 5-8 hat noch ihre eigene Bedeutung. Das wird deutlich, wenn man sich dem zweiten Motiv, der Ruhe des Jona, zuwendet.

Der entscheidende biblische Vers lautet: "Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde" (Vers 5).

"Mancherlei Fragen wirft die Szene auf, die Jona unter dem Laubdach zeigt. Nach dem biblischen Bericht ließ Gott eine Rizinusstaude wachsen, die dem Propheten Schatten gab. Als sie wieder verdorrte, zürnte Jona, und Gott hielt ihm vor, daß ihm die Staude zwar leid tue, nicht aber Ninive, das Gott trotz seiner Androhung zum Leidwesen Jonas nicht vernichtete (Jona 3 und 4). All das drückt sich weder in der Darstellung der Callisto-Katakombe aus noch in einer sehr schönen Wandmalerei der Katakombe SS. Pietro e Marcellino noch in den meisten anderen Bildern dieses Themas. 'Im Widerspruch zur Bibel ruht oder schläft Jonas, keinesfalls wartet er gespannt auf den Untergang der Stadt, die nicht dargestellt wird, obwohl doch gerade die Kürbislaube mit der Stadt und ihrem Schicksal so eng zusammenhängt.' Dieser Satz Alfred Stuibers entspricht dem Sachverhalt ganz genau. Jona ist in den Werken der Plastik und Malerei fast immer als Schlafender dargestellt und wurde somit zum Gleichnis für die, welche in den Loculi der Cömeterien und in den Sarkophagen ruhen und die nach einer Zeit friedvoller Ruhe die Auferstehung erwarten."Herbert Alexander Stützer, Die Kunst der römischen Katakomben, Köln 1983, S. 99

Es handelt sich also um eine zweifach gebrochene Anverwandlung des Jona-Themas. Deutlich wird, dass die Verwendung dieses Motivs in den Katakomben eine klare Botschaft impliziert und nicht als Illustration einer biblischen Geschichte missverstanden werden darf.


Die Botschaft der Bilder lautet:

  1. Wir werden - wie Jesus - auferstehen!
  2. Wir schlafen jetzt und warten auf das Jüngste Gericht!