Berthold Furtmayr "Baum des Todes und des Lebens"
Salzburger Missale, vor 1481

Furtmayr, Baum des Todes und des Lebens, Ausschnitt (Für eine Sicht auf das ganze Bild bitte klicken)

Im dritten Band des Messbuches des Salzburger Erzbischofs Bernhard von Rohr findet sich innerhalb einer eher idyllischen Gartenlandschaft eine Gegenüberstellung der 'alten' und der 'neuen' Eva: Eva, von der Schlange verführt, pflückt und verbreitet den Tod, Maria dagegen die Erlösung und das Leben. Adam sitzt zwischen beiden, er sucht sich hinter dem Baum zu verbergen.

Der Baum trägt auf der einen Seite, als Baum der Erkenntnis, den Tod, auf der anderen Seite, als Lebensbaum, das Kreuz mit dem eucharistischen Leib Christi.

Die Hostien, die Maria spendet, verteilen sich als Früchte des Heils auf die ganze Baumkrone, ebenso wie die todbringenden Früchte der Verführung. Von diesem Baum kommt nur für den Gläubigen das Heil, für den unwürdig Empfangenden aber das Verderben. Die der Fronleichnamssequenz des Thomas von Aquin entnommenen Inschriften verdeutlichen dies. Rechts steht beim Tod: "Von hier kommt den Bösen der Tod, den Guten das Leben" links, hinter Maria, hält ein Engel ein Spruchband mit den Worten: "Siehe, dies ist das Brot der Engel, den Pilgern zur Speise bereitet".


"So wandte sich jene böse Zeit, die den Adam getötet hatte, und es kam eine andere gute Zeit, durch die er wieder aufgerichtet werden sollte. Statt jener Schlange begann jetzt Gabriel die Unterredung, und statt Evas hörte Maria sie an. Statt des Lügners, der durch den von ihm angestifteten Trug den Tod einführte, stand der wahrhaftige da, um durch die von ihm gebrachte Kunde das Leben zu verkündigen. Und für die Mutter, die unter den Bäumen den Schuldbrief unterschrieben hatte, trat die Tochter ein, welche die ganze Schuld ihres Vaters Adam einlöste. Die Schlange und Eva sind in den Engel und Maria umgeändert, und die von Anbeginn an verwickelte Sache ist wieder in Ordnung gebracht. Siehe, wie Eva der Schlange geneigtes Ohr leiht und auf die Stimme des Betrügers horcht, der ihr Lügen zulispelt! Komm nun und freue dich darüber, wie der Engel Maria Leben in ihr Ohr gießt, sie von der Umwindung der Schlange befreit und ihr Trost verleiht! Gabriel baute das von der Schlange zerstörte Gebäude wieder auf, und Maria errichtete wieder das von Eva im Paradies eingerissene Haus."

(Der Syrer Jakob von Batnä: Gedicht über die allerseligste Jungfrau. Jakob von Batnä bzw. Sarug ist 451 in der Diözese Sarug geboren und war lange Chorbischof. 519 wurde er Bischof von Batnai, 521 starb er.)


Auf diesem Bild gibt es viel zu sehen, die Schüler/innen sollten sich intensiv damit beschäftigen und eine detailgenaue Bildbeschreibung erarbeiten. Es gibt eine Fülle von (symbolisch aufgeladenen) Einzelheiten, die (etwa mit Hilfe eines Wörterbuchs zur Christlichen Kunst oder eines Symbollexikons) bearbeitet werden können. Die Identifizierung der beiden Hauptfiguren Eva und Maria und die Herausarbeitung der mit dem Bild verbundenen Intention dürften nicht schwer fallen. Der Text zeigt, dass die Gegenüberstellung von 'alter' und 'neuer' (nicht: 'anderer'!!) Eva kirchengeschichtlich sehr früh anzusetzen ist. Dabei ist diese Parallelisierung wahrscheinlich in Analogie zur Adam- und Christus-Gegenüberstellung unter der Bezeichnung 'alter' und 'neuer' Adam (Röm 5) entstanden. Vgl. E. Guldan, Eva und Maria. Eine Antithese als Bildmotiv, Graz/Köln 1966.