"Das Fresko hat die Maße 667x317 cm. Es wurde zwischen
1427 und 1428 in den frischen Putz der Wand gemalt und ist der erste
zentralperspektivisch gemalte Bildraum. Die Figuren und der Raum, in dem
sie sich befinden, sind in ihrer Perspektive bewusst auf das Auge des
Betrachters im Kirchenraum bezogen. Man wird sich seinen Standpunkt selbst
suchen müssen, um diese damals so neue räumliche Wirkung des Wandbildes zu
erleben.
Masaccios Trinität ist ein Stifterbildnis. Der Stifter
war ein Mitglied der Florentiner Familie Lenzi. Das waren reiche Leute mit
Haus- und Grundbesitz, einem schönen Palazzo an der Piazza Ognissanti; und
als wohlhabenden Bürgern fielen ihnen hohe politische Ämter zu. Auch der
Lenzi auf unserem Fresko wird aufgrund seiner roten Amtstracht einer der
Prioren der Stadtrepublik gewesen sein. Ein Domenico di Lenzi bekleidete
1390/91 tatsächlich dieses Amt.
Das Fresko wurde erst 1861 wiederentdeckt. ... [Es]
ist in zwei Bildräume unterteilt. Auf der unteren Stufe des oberen
Bildraums kniet der Stifter mit seiner Frau. ... Darüber entfaltet sich
der göttliche Raum, an dessen Schwelle das Stifterehepaar kniet. Die
perspektivische Behandlung der Figuren im Raum sorgt dafür, dass die
Knieenden dem göttlichen Raum angehören. Es führt eine Linie vom Kopf des
Stifters über den der am Kreuz stehenden Figur der Maria zum Kopf des
Christus. Das Gleiche geschieht auf der rechten Seite zwischen der
knienden Figur der Stifterin, dem unterm Kreuz stehenden Johannes und
Christus.
Das »Trinitätsfresko« ist ein gemaltes Wandbild. Der
obere Bildraum gibt uns die Illusion eines Kapellenraums. Gerahmt wird er
von zwei hohen Pflastern mit Kompositkapitellen, die ein waagrecht
abschließendes, reich gestuftes Gesims tragen. Der eigentliche
Kapellenraum öffnet sich in einer Arkade. Sie ruht auf schlanken Säulen
mit ionischen Kaphellen. Der Raum erstreckt sich in die Tiefe, in der sich
sein Öffnungsmotiv - die rundbogige Arkade mit den eingestellten Säulen
wiederholt. Die Decke des Kapellenraum bildet eine gewölbte
Kassettendecke. An der Stirnwand erkennen wir eine Apsis.
Hat man diesen Raum lange genug betrachtet, so kann
man mit einem Rätsel beginnen. Da die Konstruktion der Perspektive
den Bildraum rational durchmisst und den Figuren ihren jeweiligen Platz
zuweist, müsste es möglich sein, deren Standorte im Raum festzulegen. Bei
dem noch vor dem Kapellenraum knienden Stifterpaar ist das mühelos zu
machen. Aber wo stehen Maria und Johannes? Es sieht so aus, als befänden
sie sich auf gleicher Höhe mit dem Standpunkt des Kreuzes also noch sehr
weit vorne im Raum, etwas hinter den eingestellten Säulen. Gottvater hält
den Querbalken des Kreuzes. Allerdings steht er deutlich sichtbar auf dem
rötlichen Sarkophag, der in die Wand der Apsis eingelassen scheint.
Demzufolge müsste Gottvater sich sehr weit vorbeugen, um an das Kreuz zu
reichen. Gottvater ist aber aufrecht dargestellt. Was ist hier passiert?
Warum diese Unklarheit der Position der Figur Gottes im oberen Bildraum?
Hat Masaccio einen Fehler gemacht, weil er seine Perspektive noch nicht so
recht beherrschte?
Eine Antwort gibt uns vielleicht Edgar Hertlein. Er hat ein ganzes Buch über dieses Wandbild geschrieben. In der Unbestimmtheit des Verhältnisses der Figur Gottes zum Raum sieht er keinen Fehler Masaccios. Vielmehr erscheint ihm diese Verunklärung beabsichtigt, »um das Überirdische der Erscheinung, die in dieser Welt keinen 'Platz' hat und damit auch nicht den Gesetzen und Darstellungsregeln des Diesseits unterworfen ist, zum Ausdruck zu bringen«. (Hertlein, Masaccios Trinität, 1979).
Eine schöne Erklärung, die besagt, dass Masaccio die »süße« Perspektive nicht nur beherrschte sondern sie so weit zu benutzen verstand, dass er eine besondere inhaltliche Wirkung mithilfe der bewussten Störung der perspektivischen Konstruktion steigern konnte."
Quelle: Florenz. Ein Reisebuch durch die Stadtgeschichte, Frankfurt 1989, S. 102ff.
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